Alleingeborene Zwillinge führen ihre Beziehung ganz gemäß ihrem unbewussten Umgang mit ihrem vorgeburtlichen Trauma. Das, was im Mutterleib geschah und im Dunkeln liegt, wird Tag für Tag wieder und wieder durchlebt bzw. re-inszeniert. Jemand, der Angst hat, mit dem Schmerz von damals in Kontakt zu kommen, wird es vorziehen, eine
eher durch Distanz geprägte Beziehung zu führen. Vor allem, wenn der Zwilling schon körperlich spürbar war und der überlebende Zwilling sich nach dem Tod des geliebten Geschwisterchens wie eingefroren in eine Ecke des Mutterleibes zurückziehen mußte, ist das die Prägung für Distanz. Jedes Mal, wenn für den Distanz-Zwilling eine Beziehung zu eng und intensiv ist, zieht er sich zurück und geht auf Abstand. Wochenendbeziehung oder eine Partnerschaft mit getrennten Wohnungen sind für ihn der ideale Weg, dem Ursprung seines Verhaltens, dem Schmerz, aus dem Weg zu gehen. Ein möglicher Glaubenssatz ist, „Alles, was ich zu sehr liebe, stirbt“.
Wenn sich ein Zwilling, welcher irgendwann im Verlauf der Schwangerschaft sein(e) Geschwisterchen verloren hat, auf den Weg macht, geboren zu werden, ist das für ihn eine schier unüberwindliche Aufgabe. Er geht durch einen für einen so kleinen Menschen schwierigen ersten Entscheidungsprozess, entweder seinem geliebten toten Zwilling zu folgen, also auch zu sterben, oder die gemeinsame „Wohnung“ zu verlassen und den anderen zurückzulassen. Eine Ent-Scheidung für das Leben und gegen die Nähe zum Zwilling.
Dies macht die Geburt häufig zu einem langwierigen und schwierigen Loslassprozess. Der Start ins Leben beginnt oft weit nach dem ausgerechneten Termin, die Mutter liegt möglicherweise lange in den Wehen, die Plazenta macht Probleme. Aber es gibt natürlich auch alleingeborene Zwillinge, die ihre Geburt nach dem Motto „Augen zu und durch“ gestalten.
Woran kann die Mutter erkennen, dass ihr Neugeborenes einen Zwilling zurückließ?
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Oft schauen uns die Menschen mit großen Augen an, wenn wir ihnen sagen, dass ihre belastenden Emotionen, Verhaltensmuster oder Ängste auf ein Geburtstrauma zurückzuführen sind.
„Aber meine Mutter hat gar nichts Schlimmes berichtet von meiner Geburt.“ Das ist dann häufig die erste Reaktion.
Die Geburt mag für die anderen Beteiligten – Mutter, Vater, Hebamme, Gynäkologe – ganz normal und unauffällig gewesen sein. Für das Baby ist es ein extrem prägendes Erlebnis. Alles was rund um die Geburt geschieht und von ihm wahrgenommen wird, hinterlässt einen psychologischen Inprint. Es nimmt jede Veränderung in der Stimme, jede Berührung – ob grob oder sensibel – mit hoher Intensität wahr.
Geburt ist nicht nur ein freudiges Ereignis. Vielmehr ist es der Übergang mit den stärksten Veränderungen, die wir jemals im Leben erfahren werden. Geburt ist auch heute noch ein Vorgang, der mit tiefen Urängsten und Todesangst verbunden sein kann.
Ob eine Geburt auch für das Kind glücklich und entspannt war, zeigt sich erst im Laufe des Lebens.
Jedoch bevor ich auf die Auswirkungen im täglichen Leben eingehe, möchte ich betonen, dass jedes schreckliche Erlebnis auch ein Zeichen für Überlebenswille, Stärke und Mut ist. Und – jedes traumatische Erlebnis lässt sich auf heilsame Weise integrieren. Schon das unausgesetzte, ungestörte Bonding direkt nach Verlassen der Gebärmutter kann dazu führen, dass die Auswirkungen an Intensität stark vermindert verbleiben oder sogar ganz verschwinden.
Nicht umsonst heißt es: ALL YOU NEED IST LOVE.
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